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Mit Teo um die Welt: Vom Einaudi Verlag in Turin (links) über Deutschland (Mitte) nach Korea (rechts). |
«Mi chiamo Teo, ho otto anni e
voglio incontrare Napoleone. Ho una battaglia molto importante da vincere e lui
è l'unico che mi può aiutare. Per incontrarlo mi tocca morire, però, perché
Napoleone è un morto».
»Ich heiße Teo, ich bin acht Jahre alt, und ich will
mit Napoleon reden. Ich muss eine sehr wichtige Schlacht gewinnen und er ist
der Einzige, der mir dabei helfen kann. Aber wenn ich mit ihm reden will, muss
ich sterben, denn Napoleon ist schon tot.« (Übersetzung von Annette Kopetzki)
Bereits der erste Satz dieses Buches schafft es, einen
ganz individuellen Ton anzuschlagen, der die gesamte Erzählung prägt. Es ist
der Ton eines fantasievollen Kindes, das ganz unbefangen und unreflektiert die
großen Fragen des Lebens stellt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Gibt es ein
Leben nach dem Tod? Wer kommt ins Paradies? Was ist und wie weit geht Liebe?
Gibt es die Möglichkeit des Friedens auf Erden? Was ist gut und was ist böse?
Die philosophische Kraft und erzählerische Schönheit und Leichtigkeit dieses
Debütromans kann uns erwachsene Leser an die Geschichte des kleinen Prinzen Le
Petit Prince (1943) von Antoine Saint-Exupéry erinnern, mit dem sich die
noch junge Autoren Lorenza Gentile durchaus messen lassen kann. Teo ist ein
achtjähriger Junge, der unter dem ständigen Streiten seiner Eltern und der
pubertären Derbheit seiner älteren Schwester Mathilde leidet. „Aber selbst wenn
ich herausfinden würde, dass alle Eltern auf der Welt so streiten wie meine,
würde ich mich wahrscheinlich nicht besser fühlen“ (S. 18) Deshalb will Teo
diese Ehe seiner Eltern retten, um für sie und für sich Liebe und Frieden zu
finden. Seine Eltern schenken ihm ein Buch über Napoleons Abenteuer und Teo
beginnt begeistert zu lesen, weil Geschichte und Helden wie Napoleon ihn am
meisten interessieren. Als ein Kind der heutigen Zeit versucht Teo nun über das
Internet, über Google, Antworten auf seine Fragen an das Leben zu finden. Fast
unglaublich wirkt die virtuelle und völlig undramatische Recherche Teos nach
Möglichkeiten des Suizids, denn wie es der erste Satz bereits erzählt, muss Teo
sterben, um Napoleon treffen zu können. Bis zu seinem Tod plant Teo nicht mehr
als fünfzig Stunden. Wenn es nicht schon der erste Satz dieses Buches war, der
uns Leser gefesselt hat, dann geschieht dies spätestens mit dem Aufbau dieses
Spannungsbogens nach nicht einmal ganzen zwei Seiten. Napoleon, der nie eine
Schlacht verloren hat, wird für Teo in seiner Stärke zu einem Vorbild und einem
Orientierungspunkt. Vielleicht, denkt sich Teo, kann er von Napoleon lernen,
wie man Schlachten gewinnt, denn auch Teo fühlt sich mitten in die Schlachten
des täglichen Lebens gestellt. Statt des Friedens und der Liebe, nach der er
sich sehnt, wächst die Einsamkeit die Teo inmitten seiner Familie und seines
Umfelds empfindet. Bevor sich Teo tatsächlich auf den Weg zur Insel Sankt
Helena macht, wo Napoleon gestorben ist, also bevor Teo die Reise seines Todes
antritt, begegnet er Napoleon ganz anders als er gedacht hat und bekommt ganz
andere Antworten als er sie je bei Google hätte finden können.
Dieser einfühlsame und eindringliche Roman, der das Tabu
der Schattenseiten und Abgründe des vermeintlich immer nur schönen und vom
Wohlstand gesättigten Lebens vieler Kinder der heutigen Zeit bricht, sei
unbedingt empfohlen. Darüber hinaus sei geraten, diese junge erfolgreiche
Autorin auch in Zukunft nicht aus den Augen zu verlieren: Lorenza Gentile wurde
1988 in Mailand geboren und hat sich schon sehr früh für Literatur und Theater
zu interessieren begonnen. Sie studierte „Drama and Theatre Arts“ bei
Goldsmiths an der Universität London und besuchte 2011 für ein Jahr die
„L’École Internationale de Théâtre Jacques Lecoq“ in Paris. Sie arbeitet als
Autorin von Romanen, Kurzgeschichten und Bühnenstücken. Lorenza Gentile sticht
auch durch ihre Doppelbegabung als Schriftstellerin und bildende Künstlerin
hervor: Sie schreibt nicht nur, sondern zeichnet, malt, gestaltet Collagen.
Gentiles erster Roman wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet.
Wer Lorenza Gentile näher kennenlernen möchte, kann
ihre Homepage besuchen: http://www.lorenzagentile.com/index.php/en/
Auf der Seite des dtv-Verlages gibt es eine Leseprobe
dieses Romans und ein Interview mit der Autorin: http://www.dtv.de/special/lorenza_gentile_teo/2219/
Lorenza Gentile: Teo, aus dem Italienischen von
Annette Kopetzki,
München: dtv 2015. 200 Seiten. 18,90 €